Kasuistiken zur muskuloskelettalen Radiologie

SAPHO-Syndrom

Eine jugendliche Frau im Alter von 16 Jahren berichtet über Schmerzen, die vor drei Monaten am Brustbein begonnen haben und jetzt auch „zwischen den Schulterblättern“ und „tief im Kreuz“ bestehen.

Die Schmerzen seien morgens und in Ruhe besonders intensiv. Die Patientin ist derzeit in der Neurologischen Klinik zur stationären Behandlung, von wo sie zur MRT der Brustwirbelsäule überwiesen wird.

Untersuchungsbefunde

Druckschmerzen können an Sternum und im mittleren BWS-Bereich ausgelöst werden. Die gesamte Wirbelsäule ist bewegungsreduziert. Am rechten Unterschenkel findet sich eine 1,5cm große, psoriatiform schuppende Hautläsion. Die BSG ist auf 20/44mm erhöht. Bis auf eine geringgradige Eisenmangelanämie liegen die übrigen Laborwert im Normbereich. Negativ sind HLA-B27, RF, ANA, ENA, dsDNA-AK, p/s-ANCA und ACE.

Radiologische Diagnostik

Sie wird nach Erhebung von Leitsymptomen umfänglich mittels Radiographie der Wirbelsäule, Computertomographie der BWS und des Sternums (low-dose-Technik) und kontrastverstärkter MRT der gesamten Wirbelsäule und der Iliosakralgelenke mit folgenden Befunden komplettiert:

SAPHO-Syndrom

An der Wirbelsäule finden sich röntgenokkulte Läsionen an BWK 4 und 11 sowie LWK 1 und 5. In diesen Höhen imponierten kontrastmittelaufnehmende Foki an den ventralen Wirbelkörperkanten im Sinne von „shiny corners“, umgeben von Knochenmarködemen. Der BWK 4 weist eine Deckplattenimpression auf.

Im Corpus sterni liegt ein entzündliche Osteolyse in bandförmiger Konfiguration mit irregulär begrenzter Umgebungssklerose vor.

Beide Iliosakralgelenke präsentieren sich morphologisch unauffällig.

Unter Einbezug der psoriatiformen Hauteffloreszenz am rechten Unterschenkel werden die radiologischen Befunde als sog. SAPHO-Syndrom bewertet. Als Differenzialdiagnose wird eine chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis (CRMO) diskutiert. Eine primär neurologische Ursache für die Beschwerden kann bildgebend ausgeschlossen werden.

SAPHO-Syndrom nach TherapieTherapie und Verlauf

Nach initial hochdosierter NSAR-Therapie (bis max. 3x800mg/Tag Ibuprofen nach Bedarf) wurde nach sechs Wochen eine Therapie mit Sulfasalazin über 4 ½ Monate eingeleitet (2000mg/Tag, danach ausschleichend). Unter dieser Medikation kam es nach sechs Monaten zur Komplettremission. Die Patientin ist seit 3 ½ Jahren beschwerdefrei und betreibt wieder Leistungssport.

 

Hintergrundinformation

Das SAPHO-Syndrom wird von den Leitsymptomen „Synovitis“, „Akne“, „Pustulosis“, „Hyperostosis“ und „Osteitis“ bestimmt. Das Akronym setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Symptome zusammen. Charakteristisch ist das Nebeneinander von Haut- und Knochenbefunden, woraus sich auch das Kürzel „Skibo disease“ (skin and bone) ableitet.

Es handelt sich um ein heterogenes Syndrom, keinesfalls um eine einheitliche Entität. Derzeit gelten folgende Diagnosekriterien für das SAPHO-Syndrom als gesichert: 1. multifokale, sterile Osteomyelitis ohne oder mit pustulöser Hautkrankheit, 2. Arthritis und pustulöse Dermatose, 3. Osteomyelitis und pustulöse Dermatose bzw. Psoriasis.

Aufgrund der unterschiedlichen Präsentations- und Verlaufsformen werden beim SAPHO-Syndrom diese Formen unterschieden: 1. Chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis (CRMO), die in zwei Dritteln der Fälle und allen Lebensaltern angetroffen wird, 2. die Spondylarthritis hyperostotica pustulopsoriatica in knapp einem Drittel der Fälle (Pustulosis palmoplantaris, sternoklavikuläre Hyperostose, Wirbelsäulenläsionen) sowie 3. die seltenen abortiven Formen (ACW-Syndrom = anterior chest wall syndrome, SCCH = erweiterte sternoklavikuläre Hyperostose, Akne-CRMO, Akne-Spondylitis).

Die chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis (CRMO) manifestiert sich meist außerhalb des SAPHO-Syndroms. Typisch sind synchrone bzw. metachrone Osteomyelitiden an unterschiedlichen Lokalisationen (bevorzugt an den Metaphysen der Röhrenknochen, den thorakolumbalen Wirbelkörpern und an den Klavikulae) mit langen, protrahierten Verläufen. In 60% liegt eine Pustulosis palmoplantaris vor. Erreger lassen sich in der Regel nicht isolieren, ursächlich werden anaerobe, hypovirulente Hautkeime diskutiert.

Nicht abgeschlossen ist derzeit die Diskussion um die nosologische Einordnung des SAPHO-Syndroms, insbesondere darüber, ob es den seronegativen Spondylarthropathien zugeordnet werden sollte. Im klassischen Sinne besteht diese Arthritisgruppe aus folgenden Entzündungsentitäten: 1. Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), 2. Psoriasis-Arthropathie, 3. enteropathische Arthritiden (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), 4. reaktive (postinfektiöse) Arthritiden und 5. undifferenzierte Spondylarthropathien. Legt man den seronegativen Spondylarthropathien das Vorhandensein einer Sakroiliitis (in 95% der Fälle manifest) und der HLA-B27-Serologie (in 83% der Fälle positiv) zugrunde, dann sollte das SAPHO-Syndrom dieser Arthritisgruppe nicht subsumiert werden. Unter Verwendung anderer Klassifikationskriterien  wird das SAPHO-Syndrom in neuester Zeit von mehreren Autoren jedoch auch den seronegativen Spondylarthropathien zugeordnet.

Lernpunkte

Bei multilokulären Gelenk- und Wirbelsäulenfoki sollte die radiologische Anamnese auf den Nachweis von Hautaffektionen ausgedehnt werden. Entzündliche Frühmanifestationen werden am Skelettsystem mit der MRT-Diagnostik häufig früher als im konventionellen Radiogramm erfasst, so dass dem Radiologen mit seiner frühzeitigen und richtigen Diagnose eine wichtige Steuerungsfunktion in der Behandlung entzündlicher Systemerkrankungen zukommt.

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